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Brief vom Tierschutzverein CANIS - Östereich

Wien, 2.Juli 2000

An

Dr.Madeleine Petrovic

Die Grünen - Parlament

1010 Wien                                                                                                                      

                                                                                                                                                          

 Sehr geehrte Frau Doktor Petrovic !

 Vergangene Woche wurde in Hamburg ein sechsjähriger Junge von zwei Hunden sogenannter "gefährlicher Rassen" getötet. Das Kind mußte sterben, weil die Materie "Kampfhunde" über Jahre hin zur Seite geschoben worden war. In einem wilden Reflex wird nun seitens der Politik versucht, durch Rassenverbote Herr der Lage zu werden. Die Hysterie greift mittlerweile auch auf Österreich über, die Vernunft scheint dabei unterzugehen.

 Ich wende mich im Sinne aller um ihre Kinder besorgter Österreicherinnen wie auch aller alarmierten Hundefreunde dieses Landes an Sie, da ich auf Ihr sachliches und tierfreundliches Urteil baue.

 1)      Lassen Sie mich gleich in medias res gehen: klären wir doch zuerst einige der immer wieder verwendeten, ja mißbrauchten Begriffe:

 ·        Aggression bei Hunden

 Aggression im rein naturwissenschaftlichen - nicht im ethischen - Sinne, ist ein Grundmerkmal aller Lebewesen. Ohne Aggression gäbe es kein Überleben. Demnach ist Aggression vom Grundsatz her genetisch verankert. Wie weit sie aber zum Ausdruck kommt, hängt von zahlreichen, meist äußeren Faktoren ab. Im speziellen Fall Hund heißt das: selektive Zucht aggressiver Blutlinien, Fehlprägung im Welpenalter, brutale Konditionierung und falsche Haltung bewirken ein Übermaß an Aggression.

 ·        "gefährliche Rassen" ?

 Wie die renommierte Verhaltensforscherin der Universität Kiel, Dr. Dorit Feddersen-Petersen, wissenschaftlich bewiesen hat, ist es ein Unsinn, von "Killerrassen" zu sprechen. Das Potential zu übermäßiger Aggression kann durch menschliches Zutun in jedem Hund, vom Chihuahua bis zur Dänischen Dogge, geweckt werden. Rassenverbote lösen daher das Problem nicht, sondern verschlimmern es nur, da Kriminelle dann auf andere  - nicht verbotene - Rassen ausweichen.

 ·        "Beruf" Pitbull

 Vor allem in England war es über Jahrhunderte Tradition, grausame Hundekämpfe abzuhalten. Der Adel fand Gefallen daran, die Hunde auf Bären oder Wildschweine zu hetzen, andere soziale Schichten ergötzten sich am Kampf Hund gegen Hund bzw. Hund gegen Bulle. So entstand der Begrifft Pitbull ( "pit" = Arena). Die Hunde wurden allerdings nicht nach einheitlichen äußeren Merkmalen gezüchtet, sondern nach ihrem Draufgängertum in der Arena. Daher kommt es, daß Pitbull kein kynologischer Rassenbegriff ist, sondern eher eine "Berufsbezeichnung", wie "Blindenhund" oder "Lawinenhund". Es ist daher genauso absurd, von "reinrassigen Pitbulls" zu sprechen wie von "reinrassigen Mischlingen".

 ·        Rassenverbote ?

 Es ist unumstritten, daß gewisse Rassen wie der American Staffordshire Terrier oder der (Englische) Staffordshire Terrier aus den ursprünglichen Kampfhunden hervorgegangen sind. Allerdings liegt dieses Erbe schon viele Generationen zurück und wird von den anerkannten Kynologenverbänden und Rasseclubs bewußt "weggezüchtet", indem nur verhaltensunauffällige Tiere verpaart werden. Dazu der Wiener Genetiker Dr. Hellmuth Wachtel in einer Stellungnahme zum Tierschutzverein CANIS: "Seit die Bullrassen mehrheitlich nicht mehr für den Kampf gezüchtet werden, geht ihr Aggressionspegel jedoch bereits schnell zurück."

Das heißt, es kommt auf die richtige Gegenselektion an, die seit gut 70 Jahren auch praktiziert wird.

Dr. Wachtel hält Rassenverbote für den falschen Weg.: "Die Rasse auszurotten, ist so gesehen, das Kind mit dem Bad ausschütten. Hätte man schon vor 100 Jahren so kopflos und hysterisch reagiert, gäbe es keinen Boxer mehr. Denn der stammt vom `Bullenbeißer´ ab, dem seinerzeitigen `Pitbull´ des Kontinents. Heute ist der Boxer allgemein als idealer Familienhund anerkannt."

Auch Dr. Feddersen-Petersen sieht in einem Rassenverbot keine Lösung: "Das wird die Sicherheit der Bevölkerung sicher nicht steigern, denn das Gespann Hund - Halter ist entscheidend."

 

·        AmStaffs als Therapeuten

 Das Drama von Hamburg zeigt ganz deutlich, daß kriminell fahrlässige Hundezüchter oder Hundehalter ihre Tiere zu Killern heranziehen können. Auf der anderen Seite beweist ein Fall in den Vereinigten Staaten auch das Gegenteil. In Texas unterhält Sara Nugent ein Projekt, bei dem verhaltensauffällige Kinder nicht mittels Delphinen - wie allgemein bekannt - sondern mit American Staffordshire Terriern therapiert werden. Ein Beispiel, das mehr als verdeutlicht, wie sehr es auf den Menschen ankommt, ob der Hund tötet oder heilt.

 ·        Recht statt Rassismus

 Der Tierschutzverein CANIS möchte auch klar festhalten, daß ein generelles Verbot bestimmter Hunderassen aufgrund "übermäßiger Aggression" nicht nur unwissenschaftlich und kontraproduktiv ist, sondern auch den Grundsätzen unseres Rechtsverständnisses zuwiderläuft. Es gilt doch der Grundsatz, daß ohne einen Verstoß gegen ein Gesetz keine Strafe erfolgen darf. Wenn eine Rasse nun grundsätzlich als gefährlich definiert wird, fällt dieser Rechtsgrundsatz. Er wird durch Vermutungen über "wahrscheinliches Verhalten" ersetzt. Dabei wird allen Individuen einer Hunderasse unterstellt, daß sie wesensgleich und gefährlich seien. Diese "Biologisierung" des Verhaltens, die Behauptung der unumstößlichen Wesensart, diese Pauschalisierung gut - böse,  ist nichts anderes als Rassismus. Diesmal auf dem Rücken von Tieren ausgelebt.

 Wie sagte selbst der Verbotsbefürworter und Innenminister von Rheinland-Pfalz, Walter Zuber:

 "Vor wirkungslosem Populismus müsse man sich hüten, so daß der Hund weiterhin der beste Freund des Menschen bleibt und nicht zu seinem größten Feind wird." (Presseaussendung vom 2.7.2000)

  

2) Lösungsansätze des Tierschutzvereins CANIS:

 Seit Jahren wurde seitens des Tierschutzes darauf hingewiesen, daß Hunde von Kriminellen für Kämpfe mißbraucht werden. Die Polizei zeigte sich unwissend oder wies schlicht darauf hin, zu wenig  personelle Ressourcen zu haben, um der Kampfszene Einhalt zu gebieten. Seitens der Ministerien wurde die Kompetenz dafür hinundher- oder schlicht auf die Bundesländer verschoben. Diese gaben den Ball wieder an Bund oder Exekutive zurück. Fazit: niemand fühlte sich angesprochen, nichts geschah. Nun ereignete sich in Deutschland ein Unglück und plötzlich werden anscheinende Patentlösungen aus dem Ärmel direkt ins Gesetzbuch geschüttelt.

 Der Tierschutzverein CANIS möchte nicht tatenlos zusehen, wie die Bevölkerung schlicht und einfach in falscher Sicherheit gewogen  und tausende Hunde "entsorgt" werden sollen.

 Hier unsere Vorschläge:

 ·        Schaffung eines Bundestierschutzgesetzes

·        Verbot aggressiver Zuchtlinien, aber nicht von Rassen an sich

·        Verpflichtende Kastration bzw. Sterilisation bereits auffällig gewordener Hunde sowie strikter Maulkorb- und Leinenzwang

·        Massive strafrechtliche Ahndung der Kampfhundeszene

·        Gesetzliche Regelung der Hundezucht nach Sachkunde und Tiergerechtheit, um dem Unwesen von profitgierigen "Hundevermehrern" Einhalt zu gebieten

·        Wesenstests für Hunde, die aus Tierheimen abgegeben werden

·        Zuverlässigkeitsprüfung für Halter

·        Verstärkte grenzübergreifende Kooperation, um den Import verhaltensgestörter Billighunde aus Zuchtfabriken zu unterbinden

 Der Tierschutzverein CANIS wäre sehr gerne bereit, bei der detaillierten Ausarbeitung aller genannten Punkte mitzuwirken bzw. aufgrund seiner Kontakte, die Meinung international anerkannter Experten aus Kynologie und Verhaltensforschung hinzuzuziehen.

 Im Interesse der aufgeheizten öffentlichen Atmosphäre bitte ich um einen ehestmöglichen Gesprächstermin und verbleibe mit hochachtungsvollem tierschützerischem Gruß

Mag. Alexander Willer

Obmann, Tierschutzverein CANIS

 

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