- Fakten |
Rechtsanwalt Volker Stück Liebigstr. 6 34125 Kassel Volker Stück, Liebigstr. 6, 34125 Kassel Tel. 0561 - 874268
Europäische Kommission Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz z.H.
Hr. David Byrne Rue
de la Loi 200 B 10 49 BRÜSSEL / Belgien 27.
April 2001 volker/chico/politik/bruessel-doc. Fax: 032 - 29 59 49 0 [Ihre Zeichen/Ihre Nachricht vom] [Mein Zeichen/Meine Nachricht vom] Telefon (08.00 - 17.00 Mo. - Fr.) Eu-Kom 05631 - 58 14 32 Regelungen
über gefährliche Hunde in der Bundesrepublik Deutschland Sehr
geehrte Damen und Herrn, mit
Schreiben vom 29.12.2000 haben Sie die Bundesregierung der
Bundesrepublik Deutschland gebeten, Ihnen die wissenschaftlichen
Studien zukommen zu lassen, welche dem absoluten Verbot der in
dem Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 21.04.2001
genannten Hunde - namentlich: Pitbull-Terrier, American
Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier,
deren Kreuzungen untereinander sowie nach Landesrecht bestimmte
Hunde (so Artikel 1, § 1 des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde) - zugrunde liegen. Hierauf
hat Ihnen das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,
Scharnhorststr. 34, 10115 Berlin, mit Schreiben vom 12.03.2001 -
GZ: V D 2-51 10 01/2 - eine Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland an die Europäische Kommission vom 07.03.2001 Betr.:
Richtlinie des Rates über ein Informationsverfahren auf dem
Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und Dienste der
Informationsgesellschaft 98/34/EG (98/48/EG) hier:
Notifizierung Nr.
2000/460/D - Gefährliche Hunde übersandt. Als
Rechtsanwalt, der sich mit der Materie gefährlicher Hund
vertieft befaßt hat und ein Normenkontrollverfahren gegen die
Hessische Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde vom
15.08.2000 (Hess. GVBl 2000, Teil 1, S. 411 ff.) vor dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Brüder-Grimm-Platz 1, 34117
Kassel, führt - Aktenzeichen 11 NG 2500/00 (einstweilige
Anordnung) sowie 11 N 2497/00 (Hauptsache) -, erlaube ich mir zu
den Ausführungen der Bundesregierung vom 12.03.2001 folgende
Anmerkungen und bitte um deren Berücksichtigung bei Ihren
Entscheidungen: I. Der
von der Bundesregierung als Anlaß herangezogene tragische Fall in
Hamburg-Wilhelmsburg vom 26.05.2000, bei dem zwei Hunde eines -
nach seriösen Pressemeldungen - mehrfach vorbestraften (u.a.
wegen gefährlicher Körperverletzung (3 x), Raub (2 x), schwerem
Diebstahl (2 x), Widerstand gegen die Staatsgewalt und Beleidigung
(2 x) Drogenhandel) und den Behörden seit langem einschlägig
bekannten Bürgers namens Ibrahim K. einen sechsjährigen türkischen
Jungen namens Volkan K. zu Tode bissen, beruhte auf einem Versagen
der zuständigen Behörden und nicht auf fehlenden rechtlichen
Grundlagen. In
diesem Fall war der Hund als aggressiv behördenbekannt und es war
Leinen- und Maulkorbzwang angeordnet worden, der Vollzug aber zu
keiner Zeit kontrolliert worden. Mit anderen Worten: Nicht
fehlende rechtliche Instrumente waren ursächlich, sondern das völlige
Versagen der Exekutive beim Vollzug und zwar sowohl in Beziehung
gegenüber Halter Ibrahim K. als auch dessen Hunden. II. Der
von der Bundesregierung vorgelegte Vermerk
vom 30.11.2000 zur Rechtmäßigkeit der Rassebenennung im Entwurf
eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde ist
mir unbekannt und ich bitte höflich darum, ihn mir zur Verfügung
zu stellen, damit eine sachliche Auseinandersetzung damit möglich
ist. Angefordert
waren von der Kommission jedenfalls wissenschaftliche
Studien und nicht Vermerke vielleicht irgendeines
unbedeutenden Regierungsbeamten, dessen kynologische,
ethologische, zoologische, genetische und rechtswissenschaftliche
Kompetenz unbekannt und fragwürdig ist. III. Wie
die Ihnen von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten
Entscheidungen des Bayerischen
Verfassungsgerichtshofs
vom 12.10.1994 - Vf. 16-VII-92- (NVwZRR 1995, 265 = BayVBl
1995, S. 82) und des Bundesverwaltungsgerichts
vom 19.01.2000 - 11 C 8.99 (JuS 2001, 92) zu den von Ihnen
begehrten wissenschaftliche Studien rechnen können, ist mir
unerklärlich. Bei Urteilen handelt es sich um Akte der
Rechtsprechung bzw. -findung, die zwar rechtswissenschaftlichen
Wert haben und die Jurisprudenz ist als (Geistes-)Wissenschaft
anzusehen. Sie stellt aber keine (natur-)wissenschaftliche
Studie in dem von Ihnen geforderten Sinne dar. Die
Auswahl der Bundesregierung ist überdies selektiv und erweckt
einen falschen Eindruck. Es wird Ihnen bewußt verschwiegen, daß
die erwähnten beiden Urteile eine absolute Mindermeinung
darstellen und in (deutscher) Rechtsprechung und juristischer
Literatur überwiegend abgelehnt werden, von der kynologischen,
ethologischen, zoologischen und genetischen (Natur-)Wissenschaft
ohnehin einhellig. Als
andersleutende Rechtsprechung und Literatur darf ich Ihnen nur -
jeweils mit zahlreichen Nachweisen - nur benennen: ·
Zivilrechtlich:
Amtsgericht Hattingen vom
01.08.1991 - 7 C 115/91 - ·
für Gefahrenabwehrverordnungen:
VGH Mannheim vom
18.08.1992 - 1 S 2550/91 - in NVwZ 1992, S. 1105 = VBlBW 1993, S.
99, mit zust. Anm. Hamann
in NVwZ 1993, S. 250; OVG
Bremen vom 06.10.1992 - 1 N 1/92 - in DÖV 1993, S. 576; OVG
Saarlouis vom 01.02.1993 - 3 N 3/93 - in Amtlichen Sammlung
der OVG Rheinland Pfalz und Saarland, Bd. 24, S. 412 - 426 = NuR
1993, 1993, S. 168 sowie Juris; VGH
Mannheim vom 26.04.1999 - 1 S 2214/98 - in NVwZ 1999, S. 1016
= Unser Rassehund 1999, S. 5 ff; VGH Kassel vom 08.09.00 - 11 NG 2500/00; OVG Bremen vom 26.09.00 - 1 B 291/00-; VG Frankfurt Oder vom 09.10.2000 - 1 L 781/00 - ·
für Hundesteuersatzungen:
VG Hamburg vom
24.11.1992 - 17 VG 315/92 -; VG
Hamburg vom 24.11.1992 - 17 VG 2854/92 -; VG
Koblenz vom
15.11.1994 - 2 K 1930/94. KO -;; OVG
Magdeburg vom 18.03.1998 - A 2 S 31/96 -in
NVwZ 1999, 321; VG Mainz vom
30.11.1999 - 3 K 1786/98 MZ -, VG
Osnabrück vom 13.06.2000 - 1 A 90/98 - (ausdrücklich gegen
BVerwG vom 19.01.2000) ·
Literatur:
Hamann in Deutsche
Verwaltungspraxis 1992, S. 14; NVwZ 1992, S. 1067; Deutsche
Verwaltungspraxis 1998, S. 481, NVwZ 1999, S. 964 sowie NVwZ 2000,
S. 894m.w.N.; Vahle, in
NVwZ 1996, S. 140). 1. Zum
Urteil des BayVerfGH vom 12.10.1994 - Vf. 16-VII-92- (NVwZRR 1995,
265 = BayVBl 1995, S. 82) im einzelnen: ·
Die dort vorgenommene
Rassenauswahl erfolgte keinesfalls nach vernünftigen und sachlich
einleuchtenden Gründen. Hunde anderer (deutscher) Rassen, die
aufgrund ihrer Größe und Kampf-/Beißkraft und wegen der
statistisch erwiesenen Häufigkeit ihrer Beteiligung an Beißzwischenfällen
ein vergleichbares Gefährdungspotential bilden (z.B. Deutsche
Dogge, Deutscher Schäferhund, Boxer, Rottweiler, Dobermann),
wurden bewußt nicht erfaßt. Das
Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher
Hunde greift insoweit aus einer Gruppe im wesentlichen gleich
- abstrakt - gefährlicher Hunderassen willkürlich einige
Hunderassen heraus, wobei die Auswahl gerade jene Hunderassen
trifft, deren Verbreitungsgrad vergleichsweise gering ist und die
sich durch ausländische Herkunft auszeichnen. Der
Umstand, daß die vorbezeichneten deutschen Rassen in Deutschland
traditionell in großer Zahl gezüchtet und gehalten werden, von
daher in der Öffentlichkeit eine größere Akzeptanz genießen
und mehr oder minder zu Gebrauchshunden für vielerlei Zwecke
verwendet werden, rechtfertigt keine andere rechtliche - und
selbstverständlich auch naturwissenschaftliche - Beurteilung
(anders der BayVerfGH in BayVBl 1995, S. 82). Derart
nationalistische Überlegungen können
und dürfen weder in einem zusammenwachsenden Europa noch
in einem an objektiven Verhältnissen orientierten Rechtsstaat
bzw. einer Staatengemeinschaft, der/die nicht dumpfen und
unsachlichen Nationalempfindungen folgt, keinen Bestand haben (VGH Mannheim vom 26.04.1999 - 1 S 2214/98 - in NVwZ 1999, S. 1016 =
Unser Rassehund 1999, S. 5 ff; VGH
Kassel vom 08.09.2000 - 11 NG 2500/00 -). Sachliche
Gründe für eine solche Differenzierung von ausländischen und
deutschen Hunderassen sind - weil nicht vorhanden - von der
Bundesregierung nicht bezeichnet worden und auch sonst nicht
feststellbar. Auch insoweit sei der BayVerfGH zitiert (BayVbl.
1995, S. 82): Die
unwiderleglich zu Kampfhunden erklärten Hunderassen und
Kreuzungen müssen in der kynologischen Fachwelt, also nach
wesentlichen, fachwissenschaftlich hinreichend verläßlichen
Aussagen, eindeutig als Hunde gekennzeichnet sein, die auf
eine wesentliche Steigerung der Aggressivität und Kampfkraft hin
gezüchtet werden und daher wegen ihrer weiter hinzutretenden
Eigenschaften .... ganz besonderes gefährlich sind, so daß
ihre Zucht und Haltung im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit
generell erheblichen Einschränkungen oder Verboten unterworfen
werden muß. (Anm.: Unterstreichungen des Unterzeichners). Die
kynologische, ethologische, zoologische und tiergenetische
Fachwelt lehnt die vorgenommene Differenzierung, die
wissenschaftlich nicht nachweisbar oder haltbar ist, einhellig ab,
was noch auszuführen ist. Erklärbar ist die Differenzierung nur
mit dumpfen Nationalempfindungen, unbegründeten Vorurteilen,
politischem Populismus höchster Potenz und Orientierung an
bestimmten Presseerzeugnissen (Yellow Press). Wie
der BayVerfGH selbst ausführt, können fachbezogene Erwägungen
des Gesetz-/Normgebers nur daraufhin überprüft werden, ob sie
offensichtlich fehlerhaft und eindeutig widerlegbar sind (BayVBl.
1995, S. 78 sowie S. 80). Insoweit verwickelt sich der BayVerfGH
indes sogleich in einen unlösbaren Widerspruch, führt er doch
weiter aus (S. 81): Selbst
wenn Gutachter gegenteilige Auffassungen vertreten sollten, so
folgte daraus noch nicht, daß der Verordnungsgeber mit der
getroffenen Auswahl die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner
Gestaltungsfreiheit im Bereich der vorbeugenden Gefahrenabwehr überschritten
hätte. Wenn - wie
vorliegend erfolgt - (natur-)wissenschaftlich festgestellt wird,
daß gewisse Rassen und bzw. oder Züchtungen nicht aggressiver
sind als andere bzw. Aggressivität nicht vererblich ist, so wäre
eine hieran anknüpfende Verordnung oder ein Gesetz offensichtlich
fehlerhaft und eindeutig widerlegt, was juristisch die Nichtigkeit
zur Folge haben muß. Was
fachbezogene Erwägungen sind, führt der BayVerfGH ebenfalls aus
(BayVbl 1995, S. 80), nämlich auf
tierpsychologischen und tiermedizinischen wie auch auf
sicherheitsrechtlichen Erwägungen beruhende Wertungen. ·
Zumindest ist es als
Überschreitung des dem Verordnungs-/Gesetzgeber noch
zuzubilligenden Gestaltungsspielraums bzw. Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip
anzusehen, wenn der von den Landesverordnungen im Einzelfall
geforderte Wesenstest (z.B. § 14 Abs. 1 Ziff. 8 bzw. § 14 Abs. 2
Satz 1 Hessische GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde vom
15.08.2000) positiv verläuft, der Hund als gutmütig oder ungefährlich
von Gutachtern befunden wird, der Entlastungsbeweis also geführt
wird, Hunde aber gleichwohl weiterhin als gefährlich gelten und
Hund und Halter den entsprechenden drakonischen Maßnahmen
unterworfen sein sollen. Dies dürfte selbst aus den Ausführungen
des BayVerfGH folgen, wenn es dort heißt (BayVBl 1995, S. 79): ...
ist der Gesetzgeber im Bereich der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung zum Erlaß der angegriffenen Regelung schon dann
berechtigt, wenn er - wie hier - ausreichende Anhaltspunkte dafür
hat, daß eine gesteigerte Aggressivität auch rassebedingt sein
kann: seine Entscheidung hierauf abzustellen, verletzt nicht die
Verfassungsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Übermaß-
oder Willkürverbots: Verletzt
sind - im Umkehrschluß - diese Grundsätze aber jedenfalls dann,
wenn die individuelle Ungefährlichkeit des Hundes behördlich
testiert vorliegt, die Annahme einer rassebedingten Aggressivität
also im konkreten Einzelfall nachweislich widerlegt wurde, der
Hund aber gleichwohl als gefährlich gilt und Halter und Hund den
daran anknüpfenden drastischen Maßnahmen ausgesetzt sind. In
diesem Fall wären zur Vermeidung von Verstößen gegen die
vorgenannten Grundsätze zwingend Ausnahme- und Befreiungstatbestände
zu eröffnen. 2. Zum
Urteil des BVerwG vom 19.01.2000 - 11 C 8.99 (JuS 2001, 92) im
einzelnen: Die
Berufung auf das Urteil des BVerwG vom 19.01.00 - 11 C 8.99 - ist
schon im Ansatz verfehlt und sachwidrig. Aus dem Urteil kann -
entgegen der rechtsirrigen Auffassung der Bundesregierung - aus
mehreren Gründen nichts abgeleitet werden. ·
Dort ging es um eine
Steuersatzung (Stadt Roßlau) mit der grundsätzlich
Lenkungszwecke verfolgt werden dürfen, die einen
Gestaltungsspielraum eröffnen, was bei Gefahrenabwehrregelungen
nicht der Fall ist, da hier nur eine Gefahr existent sein kann
oder nicht (in letztgenanntem Fall liegt eine Putativgefahr vor). So
heißt es in dem Urteil auf S. 15/16 der Gründe wörtlich und
unmißverständlich: Wenn
das Berufungsgericht hieraus allerdings den Schluß zieht, der
Steuertatbestand sei unter Verletzung des Gleichheitssatzes zu
weit gefaßt, weil er auch im Einzelfall ungefährliche Hunde der
erhöhten Steuer unterwerfe, verkennt es den von der Beklagten
verfolgten Lenkungszweck und den ihr dabei zustehenden
Gestaltungs- und Typisierungsspielraum. mit dem als
unwiderlegliche Vermutung ausgestalteten Steuertatbestand für
Kampfhunde in § 4 Abs. 3 Satz 2 KStS verfolgte die Beklagte nicht
in erster Linie oder gar ausschließlich einen im engeren Sinn
polizeilichen Zweck der aktuellen und konkreten
Gefahrenabwehr. Das Lenkungsziel besteht vielmehr - zulässigerweise
- auch darin, ganz generell und langfristig im Gebiet der
Beklagten solche Hunde zurückzudrängen..... ·
Das Urteil des BVerwG
beruht auf einer völlig unzutreffenden und sinnentstellenden
Wiedergabe der Gutachten Frau Dr. Eichelberg sowie Frau Dr.
Feddersen Petersen, weshalb sich diese an den Präsidenten des
BVerwG gewandt haben und die unzutreffende Wertung ihrer Gutachten
beklagten. Wäre das Gericht von einer zutreffenden Wertung der
Gutachten ausgegangen, so wäre die Entscheidung anders
ausgefallen. In
dem Schrieben Frau Dr. Feddersen-Petersen vom 02.01.2001 heißt es
wörtlich: Es
gibt keine gefährlichen Hunderassen, (weder nach Beißvorfällen
noch wissenschaftlichen Erkenntnissen - ethologisch, tierzüchterisch,
molekulargenetisch - folgen diese Benennungen seriösen,
nachvollziehbaren Kriterien) - es gibt gefährliche
Hundeindividuen. In
dem Schreiben Frau Dr. Helga Eichelbergs vom 08.11.2000 an den Präsidenten
des Bundesverwaltungsgerichts heißt es: Das
aus dem Zusammenhang genommene Zitat erweckt den Anschein, als befürworte
ich die Auflistung von Rassen, die insgesamt und a priori ein
Gefahrenpotential darstellen. Genau das Gegenteil ist der Fall:
Aus zoologischer Sicht weise ich noch einmal darauf hin, daß
allein die Rassezugehörigkeit eines Hundes keinerlei Aussagen über
seine individuelle Gefährlichkeit zuläßt. Dieser Standpunkt ist
meinem Gutachten (Anmerkung des Unterzeichners: Hierbei handelt es
sich um die Broschüre des VDH Kampfhunde-Gefährliche Hunde
Auflage 1999) unschwer zu entnehmen und ich verwahre mich ausdrücklich
gegen die Art und Weise, wie hier mit Zitaten umgegangen wird. ·
Schließlich erging
die Entscheidung zu einer Steuersatzung aus dem Jahr 1994. Zu
dieser Zeit war die kynologische Wissenschaft noch nicht auf dem
heutigen Stand, was in der Entscheidung anklingt, wenn es dort heißt: Jedenfalls aus der zeitlichen Sicht des Satzungserlasses der Beklagten
im November 1994 handelt es sich um einen komplexen und noch in
mancher Hinsicht nicht endgültig geklärten Sachverhalt. In einer
solchen Situation ist es vertretbar, dem Satzungsgeber angemessene
Zeit zur Sammlung von Erfahrungen einzuräumen... Die Beklagte war
folglich befugt, eine in gewisser Weise experimentelle Regelung zu
treffen. Derartige experimentelle
Regelungen des Gesetz-/Verordnungsgebers sind m.E. rechtsstaatlich
grundsätzlich bedenklich und abzulehnen. Nachdem heute aber alle
renommierten nationalen und internationalen Experten und Tierärztverbände/-fachausschüsse
eine Anknüpfung der Gefährdungsbeurteilung an die Rassezugehörigkeit
einhellig ablehnen, wäre auf dem Stand der heutigen Sach- und
Rechtslage mit einer anderen Entscheidung zu rechnen. Die
heute einhellig vertretene Auffassung ergibt sich aus den
vorgenannten Zitaten. Es sei hier ergänzend aus dem Gutachten
Frau Prof. Dr. Sturs zur Änderung des Steiermärkischen
Tierschutzgesetzes vom 26.01.1993 und der Verordnung der Steiermärkischen
Landesregierung vom 28.06.1993 zitiert: Eine
a priori Feststellung einer besonderen Gefährlichkeit eines
Hundes aufgrund seines wesensmäßig typischen Verhaltens ist auf
der Basis von bisherigen Erkenntnissen aus der Tierzucht überhaupt
nicht, auf der Basis von Erkenntnissen der Verhaltensforschung nur
bedingt und nur durch einen erfahrenen Ethologen bei Kenntnis
aller Umweltbedingungen, denen der Hund im Laufe seines Lebens
ausgesetzt war, möglich. Eine praxisgerechte Exekutierung eines
solchen Gesetzes ist somit nicht realisierbar, da bei ... Amtstierärzten
eine entsprechende ethologische Ausbildung nicht vorausgesetzt
werden kann. (S. 1) Von
Hunden ausgehende Gefahren für die Sicherheit von Menschen oder
Tieren sind unabhängig von der Rassenzugehörigkeit und somit ist
es nicht möglich, per Verordnung Rassen zu bestimmen, von denen
eine besondere Gefährdung ausgeht (S. 2). Als
Sachverständige aus Deutschland und Österreich seien hier nur
namentlich benannt: 1.
Frau Prof. Dr. Irene
Stur, Institut für Tierzucht und Genetik, Veterinärmedizinische
Universität, Veterinärplatz 1, A 12 10 Wien. 2.
Frau Dr. Dorit Urd
Feddersen-Petersen, Fachtierärztin für Verhaltenskunde, Institut
für Haustierkunde der Christian Albrecht Universität Kiel,
Olshausenstr. 40, 24118 Kiel. 3.
Frau Dr. Helga
Eichelberg, Zoologisches Institut der Universität Bonn,
Poppelsdorfer Schloß, Bonn oder Mozartstr. 13, 53 919
Weilerswist. 4.
Sachverständigengutachten
Herrn Polizeihauptkommissars Alfred Maciejewski, Lipstädter Weg
26, 33 758 Schloß Holte-Stukenbrock (Leiter des Arbeitskreises
der diensthundeführenden Behörden des Bundes und der Länder
sowie kynologischer Sachverständiger). 5.
Herr Prof. Dr. Otmar
Distl, Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Tierärztlichen
Hochschule Hannover, Bünteweg 2, 30559 Hannover. 6.
Frau Dr. Doris Becker
(Stv. Vors. LTK Hessen), Fritz-Erler-Str. 15, 34270
Schauenburg-Breitenbach. 7.
Frau Dr. Barbara Schöning
(Vorsitzende LTK Hamburg), Lagerstr. 36, 20357 Hamburg. 8.
Frau Erika Trumler,
Wolfswinkel HsNr. 1, 57587 Birken-Honigessen. Die
entsprechenden Gutachten liegen den Landesregierungen und der
Bundesregierung vor. Sie werden jedoch hartnäckig ignoriert. IV. Das
Gutachten
für das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten zur Auslegung von § 11 b des Tierschutzgesetzes (Verbot
von Qualzüchtungen) hält wissenschaftlichen Kriterien
nicht stand und hat deshalb keinen objektiven Aussagewert: In
dem sog. Qualzuchtgutachten zu § 11 TierschG heißt es (S. 31.
unter 2.1.2.6.): Kann
grundsätzlich in vielen Rassen oder Zuchtlinien auftreten, zeigt
sich jedoch besonders ausgeprägt in bestimmten Zuchtlinien der
Bullterrier, American Staffordshire Terrier und Pit Bull Terrier. 1. Die
im Gesetz zur Bekämpfung
gefährlicher Hunde benannte Rasse Staffordshire Bullterrier,
die auch zur Zeit der Erstellung des Qualzuchtgutachtens existent
und bekannt war, wird hier nicht gefährlich oder (hyper-)aggressiv
eingestuft. Gleiches gilt für die zahlreichen anderen Rassen, die
in verschiedenen Bundesländern - zahlenmäßig zwischen 10 und 40
Rassen - (willkürlich) als unwiderleglich oder widerleglich gefährlich
eingestuft wurden. Insoweit bleibt die Bundesregierung jeden
wissenschaftlichen Nachweis schuldig und wird ihn auch nicht
erbringen können. Hier
geht es keinesfalls darum, eine bestimmte Rasse ungerechtfertigt
zu inkriminieren, sondern die dilettantische und von Widersprüchlichkeiten
und Unsachlichkeit beherrschte Vorgehensweise der Bundesregierung
bzw. Landesminister zu offenbaren. 2. Das
Qualzuchtgutachten ist wissenschaftlich nicht haltbar. Zur Begründung
sei auf die ausführliche (46 S.) Stellungnahme Frau Prof. Dr.
Irene Sturs vom 19.10.2000 verwiesen, die Ihnen gern zur Verfügung
gestellt werden kann. Beweis:
Sachverständiges Zeugnis Prof. Dr. Irene Stur, Institut für
Tierzucht und
Genetik, Veterinärmedizinische Universität, Veterinärplatz
1, A 1210 Wien. 3. Wenn
es in dem Qualzuchtgutachten unter Genetik (S. 32) heißt Erbgang ist nicht geklärt, jedoch sind Art und Ausmaß aggressiven
Verhaltens zu einem erheblichen Teil auch genetisch determiniert,
eine Tatsache, die im Rahmen der Selektion auf oder gegen
Aggressionsverhalten immer schon mehr oder weniger konkret berücksichtigt
wurde, so ist der natur- und rechtswissenschaftliche
Aussagewert gleich null. Im einzelnen: ·
Wie kann etwas
genetisch determiniert sein, wenn die Grundlage, d.h. der Erbgang
ungeklärt ist ? ·
Was versteht man
angesichts solch ungeklärter Vorgänge unter einem erheblichen
Teil oder mehr oder weniger ? Offensichtlich
stand hier das gewünschte Ergebnis mehr im Vordergrund als eine
wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Aussage. Es
entspricht vielmehr neuesten molekular-genetischen Erkenntnissen,
daß man Hunderassen genetisch nicht differenzieren kann. Ebenso läßt
sich nicht wissenschaftlich belegen, daß übersteigerte
Aggression die Folge langdauernder Selektion auf dieses
Verhaltensmerkmal sei. Beweis:
1. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Irene Stur, bereits
benannt.
2. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Otmar Distl,
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung
der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Bünteweg 2,
30559 Hannover.
3. Sachverständigengutachten
Herrn Polizeihauptkommissars Alfred Macie
-
jewski, Lipstädter Weg 26, 33 758 Schloß
Holte-Stukenbrock. 4. Die
Bundesregierung verkennt den Unterschied zwischen den Begriffen
Rasse und Zuchtlinie. Zur Begründung der abstrakten
und generellen Gefährlichkeit der im
Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde genannten Rassen stützt
sie sich auf das sog. Qualzuchtgutachten zu § 11 b Tier-SchG.
Dieses Gutachten wurde erstellt, um einzelne Zuchtlinien innerhalb
von Rassen zu verbieten. Der Begriff Rasse ist jedoch viel
weiter zu definieren als der Begriff Zuchtlinie. Unter
einer Rasse versteht man: ...Untereinheiten
der Haustiere einer Art, welche sich in mehreren erblichen
Merkmalen voneinander stärker unterscheiden. Sie werden nach subjektivem
Ermessen (Unterstreichung des Unterzeichners) abgegrenzt. Es
sind Kollektiveinheiten, deren Besonderheiten oft durch
statistische Methoden erfaßt werden können; ihre Heraushebung im
zoologischen Nomenklatursystem ist nicht gerechtfertigt, eine
Bezeichnung durch Vulgär-Namen genügt (Quelle: Herre/Röhrs,
1990: Haustiere - zoologisch gesehen; Gustav Fischer Verlag). Der
Begriff Zuchtlinie bedeutet hingegen: ...das
Ergebnis konsequenter Verpaarung verwandter Tiere der gleichen
Rasse mit dem Ziel, Geno- oder Phänotyp für bestimmte Bereiche
des Exterieurs und / oder der Leistung zu konsolidieren und somit
Nachkommen zu erzeugen, von denen zu erwarten ist, daß sie die
Zuchtziele stärker ausgeprägt ausweisen als dies im Durchschnitt
innerhalb der Rasse der Fall ist. Der Verwandschaftsgrad
(Inzuchtkoeffizient/Ahnenverlustkoeffizient) innerhalb einer
Zuchtlinie ist im Regelfall höher als der der Gesamtpopulation
der Rasse (Quelle: Dettmar/Eichelberg, 2000) Beweis:
Sachverständigengutachten Frau Dr. Helga Eichelberg,
bereits benannt. Es
können also allenfalls, wenn überhaupt, Hunde bestimmter
Zuchtlinien innerhalb einer Rasse eine abstrakte und generelle
Gefahr darstellen, jedoch niemals eine ganze Rasse ! Beweis:
1. Sachverständigengutachten
Frau Dr. Helga Eichelberg, bereits benannt.
2. Sachverständigengutachten Frau Prof. Dr. Irene Stur,
bereits benannt.
3. Sachverständigengutachten Herrn Prof. Dr. Otmar Distl,
bereits benannt. Es
darf prognostiziert werden, daß die schwache, unschlüssige und
widersprüchliche Argumentation der Bundesregierung wie ein
Kartenhaus in sich zusammenfallen wird. 5. Schließlich
geht aus dem Gutachten nicht ansatzweise hervor, wie die
Exploration vorgenommen wurde, d.h. wie viele Tiere nach welchen
Kriterien welcher Rasse ausgewählt wurden, über welchen Zeitraum
und mit welchen Methoden begutachtet und verglichen wurde. Ohne nähere
Angaben hierzu ist der wissenschaftliche Aussagewert mit 0 zu
bewerten, insbesondere dann, wenn nur auffällige Tiere bestimmter
sog. Kampfhundrassen untersucht worden sein sollten ohne
eine Vergleichsgruppe anderer Rassen. V. Das
von der Bundesregierung nicht näher bezeichnete Gutachten der Universität München
zur Frage der Aggressivität bestimmter Hunderassen ist
mir ebenfalls unbekannt, so daß ich zwecks näherer
Auseinandersetzung damit um Konkretisierung nach Verfasser,
Erstellungsdatum und Fundstelle bitten darf bzw. mir dieses zur
Verfügung zu stellen. VI. Ebenfalls
bitte ich darum, mir die von der Bundesregierung vorgelegten,
nicht näher bezeichneten und sicher einseitig selektierten Auszüge aus der kynologischen
Fachliteratur sowie Statistische
Angaben einiger Bundesländer über Beißvorfälle näher
zu bezeichnen bzw. zur Verfügung zu stellen. Diese
unwissenschaftliche Vorgehensweise spricht bereits für sich. Da
ich kein Kampfhundlobbyist bin, sondern allein ein Interesse
an einer diskriminierungsfreien und sowohl naturwissenschaftlichen
als auch rechtlichen Kriterien Stand haltenden, sachlich
angemessenen und verhältnismäßigen Regelung habe, rege ich an ·
die Quellen vollständig
und nicht selektiv auszuwerten ·
die Verfasser der
Quellen sowie die oben genannten Sachverständigen im Rahmen einer
Anhörung zu Wort kommen zu lassen, damit sie ihre Gutachten
authentisch interpretieren und jegliches Mißverständnis
vermieden wird. Zu
welchen Folgen ein völliges Mißverständnis der Sachverständigen
führen kann, belegt die Entscheidung des BVerwG vom 19.01.2000
eindrucksvoll. Eine Wiederholung gilt es zu vermeiden. VII. Mit
den in der Bundesrepublik Deutschland nach den
verordnungsrechtlichen Exzessen bereits eingetretenen Zuständen
sowie des durch Artikel 1, § 3 Abs. 2 des Gesetzes
zur Bekämpfung gefährlicher Hunde faktisch abgeschafften
Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG; Art. 7
(Achtung des Privat- und Familienlebens) des Entwurfs der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 28.02.2000,
Charte 4487/00) mögen sich im übrigen die für Bürger-/Menschenrechte
zuständigen europäischen Institutionen näher befassen. Art.
21 - Nichtdiskriminierung - des Entwurfs der Charta der
Grundrechte der Europäischen Union vom 28.02.2000, Charte
4487/00 lautet: Diskriminierungen
insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der
Hautfarbe, der ethischen oder sozialen Herkunft, der
genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der
Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der
Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der
Geburt, einer Behinderung, des Alters oder einer sexuellen
Ausrichtung sind verboten.(Unterstreichungen durch
Unterzeichner). Davon
ist Deutschland - in Bezug auf Mensch und Tier - weit entfernt.
Grundrechte der Bürger werden hier zur Zeit allein aufgrund des
Besitzes eines Hundes einer bestimmten Rasse oder Herkunft - auch
bei nachgewiesener Ungefährlichkeit - eingeschränkt, z.B. durch
stigmatisierende Kennzeichnung der Häuser mit Warnschildern,
Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung, Einschränkung
des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1, 2 GG;
Art. 8 - Schutz personenbezogener Daten - des Entwurfs der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union vom 28.02.2000, Charte
4487/00) durch eine geplante Änderung des BundeszentralregisterG
etc.. Es wird Aufgabe der nationalen bzw. internationalen Gerichte
und der EU sein bzw. werden, derartigen Fehlentwicklungen Einhalt
zu gebieten, da die nationale Politik dazu nicht willens oder fähig
ist. Sollten
Sie Interesse an bestimmten Urteilen oder Unterlagen haben, so
bitte ich um eine entsprechende Mitteilung. Ich bin gern bereit,
Ihnen diese zur Verfügung zu stellen bzw. stellen zu lassen. Für
Rückfragen oder Auskünfte stehe ich Ihnen selbstverständlich
gern zur weiteren Verfügung unter 05631 - 58 14 32 (Telefon),
05631 - 58 12 68 (Telefax) oder volker.stueck@korbach.conti.de. Da
Sie von der Bundesregierung wissenschaftliche Studien
angefordert haben, möchte ich mit dem Zitat eines bekannten
Wissenschaftlers und Universalgelehrten schließen. Alexander
Freiherr von Humboldt (Naturforscher, 1769 - 1859): Grausamkeit
gegen Tiere ist eines der kennzeichnensten Laster eines niederen
und unedlen Volkes. Mit
freundlichen Grüßen Volker Stück [Rechtsanwalt] Anlage(n):
Stellungnahmen Prof. Distl, Herr med. vet. Bob (LTK Berlin) , Herr
Maciejewski
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